„Der Zauber bleibt“-Eine Kirchweihgeschichte von Heike Barwanietz
Wenn ich an die Fürther Kirchweih denke, dann öffnet sich ein buntes Schatzkästchen an Erinnerungen. Wie eins dieser Kistchen, die kleine Kinder anlegen, um darin ihre für die Erwachsenen nicht verständlichen Schätze zu horten. Ein Durcheinander aus allen Zeiten. Zum Beispiel das Horoskop aus einem der beiden kleinen Automaten, die auf der Freiheit zwischen den Buden standen. Man warf 50 Pfennige ein, drückte einen der schon blank geschliffenen Metallknöpfe, eine dudelnde Musik erklang und ein kleiner Mohr mit buntem Gewand und Turban, der in einem Glaskasten auf dem Automaten saß, wackelte mit dem Kopf. Zeitgleich kam dann ein Stück Papier aus dem Schlitz unterhalb des Mohren. Ich glaube, ich habe erst Jahre später begriffen, dass auf diesen Zetteln nie das Sternzeichen stand und der wirklich einfach konzipierte Automat nur einen Zettel nach dem nächsten auswarf. Völlig egal, welches Sternzeichen man drückte. Trotzdem gehörte auch nach dieser Erkenntnis das Ziehen dieses Zettels zu einer der Traditionen, die sich so lange hielt, wie es diese Automaten gab.
Von vielen sehr lieb gewonnenen Dingen musste ich mich im Laufe der Jahre verabschieden. Dem Meteor, einem großen Wagen mit ganz vielen Spielautomaten an der hinteren Wand, die von unten aus zu steuern waren. Man warf eine Münze ein – oder gab es Chips, die man erwerben musste, das weiß ich nicht mehr – und drückte einen großen Knopf. Wie bei den einarmigen Banditen im Casino bewegte sich eine Anzeige aus drei Rollen mit verschiedenen Glückssymbolen. Glück hatte, wer drei gleiche Symbole zu sehen bekam, wenn die Rollen aufgehört hatten sich zu bewegen. Es gab Schlotfeger, Kleeblätter, Hufeisen und auch schwarze Katzen. Woran ich mich auch nicht mehr erinnere, ist, ob es bei drei schwarzen Katzen auch etwas gab, oder ob damit das Spiel vorbei war. Es waren vielleicht sechs oder acht Leute, die bei diesem lustigen Spiel gleichzeitig mitmachen konnten. Irgendwann hieß es dann, die Besitzer hätten ihr Geschäft aus Altersgründen verkauft und es stünde jetzt in einem anderen Bundesland. Ich hoffe sehr, dass es immer noch irgendwo im Einsatz ist.
Ebenfalls ein Muss und das mehrfach während einer Kirchweih: Die Fahrt mit der Seesturmbahn. Ein Fahrgeschäft, das eher klein gegen die anderen auf der Freiheit wirkte. Kleine Boote mit Segeln, die hintereinander aufgereiht im Kreis immer wieder zwischen den Platten mit aufgemalten Wellen auf- und abtauchten. Die Fahrt wurde immer schneller und die Boote konnten sich gegen die Fahrtrichtung drehen und je nach Laune des Steuermanns in der Kassenkabine und vor allem wie laut die Insassen schreien konnten, drehten sie sich in voller Fahrt auch mal für mehrere Runden vor und gegen die Fahrtrichtung, sodass man hin- und hergeschleudert wurde. Was aber immer noch so ist wie früher, ist die Stimmlage dieser Chefs vom Dienst, egal bei welchem Karussell, die man schon von Weitem hört: „Immer wieder zusteigen, gleich geht es weiter mit der nächsten Fahrt!“ Ich habe mich schon oft gefragt, ob man das mit den Schaustellergenen mitbekommt oder ob es da eine einheitliche Ausbildung oder Richtlinie gibt, die seit Generationen weitergegeben wird.
Was ich sowohl als Kind, als auch als junge Erwachsene toll fand, waren die Blumenlose. Nicht etwa der bescheidene Blumenstand in der Nürnberger Straße, sondern der an der Freiheit, an dessen Stelle jetzt ein riesiger Autoscooter steht. In einer Art Zelt, das schon fast an ein Gewächshaus erinnerte, standen im Hintergrund gefühlt tausende von Blumenstöcken: Kleine grüne, blühende, Asparagus, Efeu, teilweise Grünpflanzen, die ich heute nirgendwo mehr sehe und deren Namen ich nicht kenne. Die Losverkäufer sahen aus, als wären sie alle Gärtner – vielleicht waren sie es sogar – trugen grüne Schürzen, teils auch einen Hut. Aber ganz genau kann ich mich erinnern, wie sie ihre Lose anboten. In großen – ich schätze mal10 Liter – Gießkannen, die ein Stück aufgeschnitten waren, lag das Losglück. Ich war immer selig, wenn ich 10 Stück ziehen durfte. Oft mit vielen Nieten, manchmal aber auch mit durchschlagendem Erfolg. Was ich in all den Jahren nie geschafft habe, war, einen Hauptgewinn zu ziehen. Nie durfte ich eine dieser tollen Palmen, Bananenbäume oder Benjamini mit nachhause nehmen. Dafür habe ich – solange es diesen Stand gab – jährlich mein jeweiliges Büro und Zuhause mit neuen Pflanzen versorgt. Meist haben sie nicht bis zur nächsten Kirchweih überlebt. Ob das an der Unwissenheit über die Bedürfnisse dieser Pflanzen lag oder an deren Qualität, weiß ich bis heute nicht. Nur eine der Pflanzen hat mehrere Jahre überlebt, eine kleine mit fetten Stielen und dicken Blättern, die sehr sehr anspruchslos die Fensterbretter mehrerer Arbeitgeber zierte. Irgendwann hat sie dann leider doch aufgegeben, wahrscheinlich hatte ich den Zeitpunkt sie umzutopfen zu lange herausgezögert. Da war ich dann sogar ein wenig wehmütig, denn die Blumenlose waren da schon lange Geschichte. Wenn ich einen Wunsch frei hätte für die nächste Kirchweih, ich wünschte mir genau diesen Stand zurück.
Als nie sehr sportliches Kind war für mich die sogenannte Affenschaukel auch immer eine Herausforderung. Zum einen war ich nie die Größte und man brauchte auch ganz schön Kraft, Schwung und Kondition um diese vergitterten Kästen so richtig in Schwung zu bringen. Ich habe es nur mit meiner besten Freundin geschafft, wenn wir gemeinsam im Käfig standen und uns ordentlich ins Zeug gelegt hatten, den Korb zum Überschlag zu bringen. Ich weiß noch, dass wir den Mann im Kassenhäuschen mit seinem zurückgekämmten Haar damals toll fanden. Er saß jedes Jahr in seinem Häuschen und außer dass seine Haare grauer wurden, hat er sich in meiner Erinnerung nicht viel verändert. Leider ist auch dieses Fahrgeschäft auf der Kirchweih seit kurzem Geschichte.
Aber eine der wenigen Buden aus meinen Kindheitserinnerungen gibt es bis heute: Das Fische – Angeln. Eine große Bude, die im linken Drittel der Fläche ein Wasserbecken beherbergt. Darin schwimmen Plastikfische, die, als ich klein war, leuchtend goldfischorange waren, mit Haken auf dem Rücken und einem kleinen Gewicht, das unter Wasser hängt und auf dem eine Nummer steht. Als Kind kostete das einige Anstrengung, die sich im Wasserstrudel im Kreis drehenden Fische mit dem wie ein Schlüsselring aussehenden „Haken“ zu angeln. Wie groß war die Freude, wenn einer ins Netz ging und am Ende vielleicht sogar auch noch eine andere Zahl als die 1 zeigte. Rechts nebenan in der Bude kann man sich im Dosenwerfen üben. Ich glaube, das habe ich ein einziges Mal probiert und bin grandios gescheitert. Wenn ich heute mit einem Kind unterwegs bin, lasse ich gerne ein paar Fische springen, freue mich, dass sich die Bude bis auf einen neuen Anstrich nicht verändert hat und schmunzle über die mittlerweile blassrosa Farbe der Fische, die vom Sonnenlicht und Wasser stark in Mitleidenschaft gezogen wurden.
Was aber immer auf der Kärwa Brauch war und bleibt: Es muss – spätestens am letzten Kärwatag eine Tüte Zwetschgenbonbons gekauft werden. Manchmal nimmt man auch insgesamt drei Tüten, weil dann die einzelne Tüte billiger ist. Dann sind es meist Himbeeren und eine Tüte gemischte Kräuterbonbons für die kommende Hustensaison.
Über die Jahre haben sich die Rituale geändert. Früher musste es das Fahren bei bestimmten Fahrgeschäften sein. Mittlerweile ist es eher Essen, das es nur zur Kärwa gibt, wie die Baggers, die Liebesäpfel oder die leckeren Fruchtspieße in Schokolade. Die köstlichen Sherry Matjes vom Hellberger oder die Gewürzgurken, die man auf die Hand nimmt und auf dem Weg zur Pfannen Gundel isst. Das weltbeste Schaschlik mit Brötchen vom Dinkel, das Waldmeistersofteis…. Wie gut, dass ich mittlerweile um die Ecke wohne und in der Kärwazeit die heimische Küche verwaisen lasse, sonst würde ich all die Köstlichkeiten gar nicht schaffen.
Die Autorin mit Ehemann am Kettenkarussell, vor der Kirche „Unsere Liebe Frau“ am Hallplatz.
Fotografin: Ria Wellhöfer
Zu unserer kirchlichen Hochzeit am 11.10.14 hatten wir das Glück, dass sie in die Kirchweihzeit fiel. Das hat uns tolle Fotos beschert auf dem Kettenkarussell, beim Rosen – Schießen, mit Zuckerwatte und beim Schlendern durch die Budenstadt. So ist sie verwoben in das Geflecht der Erinnerungen, die sich stetig verändern und doch immer irgendwie gleich bleiben und nach Zuckerwatte, gebrannten Mandeln und Bratwürsten riechen.
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